Chronologische Geschichte

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Nutzung als Tuberkulose-Heilanstalt (1895 bis 1970, mit Unterbrechungen)

1891/92
Bau eines Privathauses auf dem Königsberg durch einen Goslarer Bürger, der kurz darauf stirbt. Das Anwesen besteht aus Erd- und Obergeschoss, einem Seitenflügel und einem vom Hauptgebäude etwas abseits gelegenen Wirtschaftshaus.

1895
Das von der Landesversicherungsanstalt Hannover (LVA) aufgekaufte Gebäude wird am 2. Mai 1895 als Genesungsheim für rekonvaleszente männliche Versicherte mit zunächst 25 Betten in Betrieb genommen. Es ist die erste Heilstätte der deutschen Sozialversicherung; zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland bisher nur private Sanatorien und solche mit karikativen Kostenträgern. Der notwendige Umbau der Gebäude ist im Frühjahr 1896 offiziell abgeschlossen, ein neuer Speisesaal bietet Platz für 50 Patienten. Die eigene Wiesen- und Viehwirtschaft (8 Kühe) versorgt das Haus mit Milch, mit einem hauseigenen Pferdegespann können Kranke am Goslarer Bahnhof abgeholt werden.

1897
Die Landesversicherungsanstalt geht aufgrund der steigenden Zahl an Tuberkulosefällen zur Aufnahme von Lungenkranken über; aus der Anlage wird damit eine Lungenheilstätte. In den darauffolgenden Jahren wird die Bettenzahl durch Erweiterungen (zunächst durch Baracken, später durch einen selbständigen Pfleglingsneubau) ausgebaut. Die Krankenpflege übernehmen Schwestern des Henriettenstifts Hannover. Im Mittelpunkt der Behandlung steht die diätetische Ernährung; außerdem gibt es Atemübungen an der freien Luft, die Inhalation von Terpentindämpfen mittels spezieller Pfeifen sowie Bäder und Duschen.

1902
Zwischen den Jahren 1902 und 1907 ist das Genesungsheim zusätzlich diagnostische Beobachtungsstation für lungenkrankverdächtige Versicherte.

um 1910
Die Heilstätte kann bis zu 60 Personen aufnehmen, ausschließlich Männer. Bis etwa 1915 kommen weitere Gebäude (z.B. die Liegenhalle) sowie ein landwirtschaftlicher Anhang zur eigenen Viehhaltung (Kühe, Pferde und Schweine) hinzu.

ab ca. 1914
Während des 1. Weltkriegs ist kein Heilstättenbetrieb möglich, da das männliche Personal zum Wehrdienst einberufen wird und die meisten Krankenschwestern im Haupthaus des Henriettenstifts Hannover eingesetzt werden. Das Haus diente daraufhin (bis ca. 1919) als Lazarett.

Ende 1920er Jahre
In den späten 1920er Jahren werden erste Pneumothorax-Eingriffe durchgeführt, für welche die notwendigen Operationsräumlichkeiten eingerichtet werden.

1931
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise kommt es zu einer längeren Schließung (ca. November 1931 bis Februar 1934).

ab 1933
Unter den Nationalsozialisten wird die Anstalt zu einem Kurhaus für "konstitutionsschwache Jugendliche" und kinderreiche Mütter.

ab 1937
Die Anlage wird fortan als "Übungslager" betitelt; welchem Zweck dieses Lager diente, ist nicht bekannt (vgl. dazu die Bezeichnung auf einer zeitgenössischen Postkarte).

ab 1939
Während des 2. Weltkrieges dient die Heilstätte als Lazarett für Soldaten mit kriegsbedingten Lungenverletzungen.

ab 1945
Das Genesungsheim wird wieder Lungenheilstätte. Aufgrund des sprunghaften Anstiegs an Tuberkulosefällen-Erkrankungen nach Kriegsende betragen die Wartezeiten auf einen Patientenplatz bis zu einem Jahr. Es werden vor allem kleinere chirurgische Anwendungen sowie eine chemotherapeutische Kur angeboten.

ab ca. 1948
Umfangreiche Renovierungsarbeiten vor allem im Inneren der Gebäude, um den Kurablauf an modernere Auffassungen anzupassen. In den kommenden Jahren gleicht die Anlage eher einem Kurhotel als einer Krankeneinrichtung - samt kultureller Veranstaltungen, Filmvorführungen, Vorträgen, Gesellschaftsspielen und Gottesdiensten.

1957
Die eigene Viehhaltung ist unrentabel und wird aufgegeben. Einige Viehweiden werden mit der Stadt Goslar gegen angrenzende Waldstücke getauscht. Eine Viehweide direkt am Gelände wird zu einem Park mit Minigolf-Anlage hergerichtet.

1960er Jahre
Die Patientenzahlen nehmen deutlich ab, die baulichen Anlagen befinden sich mehr und mehr in einem schlechten Zustand, die laufenden Instandhaltungskosten verursachen immer höhere Kosten.

1968/1969
Es gibt erste Gerüchte zur Schließung der Anlage, denen jedoch von offizieller Seite her widersprochen wird. Zu diesem Zeitpunkt beherbergt die Lungenheilanstalt 65 (ausschließlich männliche) Patienten.

1970
Lange hat das Versprechen nicht gehalten - im Mai entschließt sich die Landesversicherungsanstalt, das Genesungsheim bis Ende des Jahres aufgrund der ständig sinkenden Zahl an Tuberkulosekranken zu schließen, da eine rationelle Ausnutzung der Heilanstalt nicht mehr möglich ist. Von den akut behandelten Patienten muss jedoch niemand verlegt werden, da bis zur Schließung die Kuren ohnehin abgelaufen sind.

1972
Von Herbst 1972 bis Frühjahr 1973 ist vorübergehend das Berufsförderungswerk Goslar mit ca. 40 Umschülern in dem verlassenen Heim untergebracht, da die Bauarbeiten am neuen BFW-Gebäude in der Schützenallee nicht rechtzeitig abgeschlossen sind.

 

Nutzung als Heim für behinderte Kinder (1974 bis 1984)

Januar 1974
Die Cornelius-Helferich-Stiftung erwirbt zum 1. Januar 1974 das Gelände und die Gebäude, um ein Behandlungs-, Rehabilitations- und Pflegeheim für geistig behinderte Kinder zu errichten. Mit der ersten Notsanierung werden 1,4 Millionen DM investiert. Cornelius Helferich finanziert den gesamten Auf- und Ausbau dieses sowie weiterer Sanatorien aus seinem Privatvermögen. Die Unterbringungskosten werden weitgehend von überörtlichen Bundessozialhilfeträgern übernommen. Die Häuser sind angewiesen, kostendeckend zu arbeiten, müssen jedoch keine Gewinne erwirtschaften. Bereits während der ersten Umbaumaßnahmen ziehen die ersten Kinder auf das Gelände, die von philippinischen Schwestern betreut werden. Angepeilt wird eine Kapazität von 80 bis 100 Kindern (die allerdings nie erreicht wird); geplant ist außerdem ein neues Schwesternwohnheim sowie die Einrichtung einer heimeigenen Sonderschule. Da in den nachfolgenden Jahren weitere Investitionen ausbleiben, verfallen die nur unzureichend modernisierten Baulichkeiten jedoch weiter.

November 1976
Die Gymnastikhalle brennt bis auf das verkohlte Gerippe der Konstruktion nieder. Zu Schaden kommt niemand, ein Übergriff der Flammen auf benachbarte Häuser kann die Feuerwehr verhindern.

November 1982
Die Kasseler Kriminalpolizei nimmt nach einer Anzeige niedersächsischer Behörden wegen Verdachts auf "Betrug zum Nachteil des niedersächsischen Landessozialamtes" erstmals Ermittlungen gegen die Helferich-Stiftung auf. Im Laufe der kommenden Monate ist Stiftungsführer Cornelius Helferich in mehrere Gerichtsverfahren verwickelt, die später wegen seiner andauernden Verhandlungsunfähigkeit allesamt eingestellt werden.

1983/1984
Das Heim bekommt eine moderne Strom- und Wasserversorgung sowie eine Anbindung des Abwassers an die Stadt Goslar.

August 1984
Zum 30. September wird das Heim aufgrund nicht eingehaltener Auflagen des Landessozialamtes geschlossen. Die Aufsichtsbehörde habe wiederholt die baulichen Zustände kritisiert, ohne dass daran etwas geändert wurde, woraufhin die Genehmigung zum Betrieb des Heimes zurückgezogen wird. Im Vorfeld der angekündigten Schließung werden zahlreiche Stimmen von Angestellten laut, nach denen die Heimführung kein Interesse an der Rettung des Heimes gezeigt habe. Am 27. August werden die letzten Kinder in andere Heime gebracht.

 

Dornröschenschlaf und Verfall (1984 bis heute)

September 1984
In der Nacht zum 8. September - zwei Wochen nach der Verlegung der letzten Kinder - brennt das Hauptgebäude, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein Hausverwalter über das Gelände wacht. Das Feuer bricht im Treppenhaus aus. Brandbeschleuniger deuten auf Brandstiftung hin, die Täter werden jedoch nicht ermittelt. Der Schaden beläuft sich auf etwa 300.000 DM (vgl. Details und Zeitungsartikel). Das Feuer und der spätere Einsturz des Gebäudes tragen dazu bei, dass der Bestandsschutz für das Sanatorium erlischt. Nach dem Brand lässt der Eigentümer Einrichtungsgegenstände, medizinisches Material und sogar Krankenakten zurück.

nach 1984
Die Stiftung beantragt eine Nutzungsänderung zu Wohnzwecken, was von der Stadt Goslar abgelehnt wird, ebenso wie Vorschläge zur Nutzung als Altenpflegeheim oder Behindertenwerkstatt. Begründung seitens der Stadt (bekräftigt durch eingeschaltete Gerichte): der gültige Flächennutzungsplan lässt nur eine weitere Nutzung als Sanatorium zu. Stadtbaurat Ernst-Detlef Kohl schließt auch eine Ausflugsgaststätte oder ein Hotel aus (Quelle: Goslarsche Zeitung, 28. Mai 1992). In den folgenden Jahren blockieren sich Eigentümer und städtische Behörden mit unvereinbaren Rechtsauffassungen gegenseitig. Die Gebäude werden derweil (unter Beobachtung eines Hausverwalters) sich selbst überlassen und verfallen zusehends.

1992
Die Stadt Goslar lehnt ein Kaufangebot des Eigentümers ab, die Chance auf eine Nachnutzung scheint damit begraben. In der Goslarschen Zeitung fasst der Redakteur Heinz Georg Breuer in einem persönlichen Kommentar das ganze Dilemma treffend zusammen.

1993
Der Landkreis Goslar muss rund ein halbes Dutzend Autowracks entfernen, die illegal auf dem Gelände entsorgt wurden.

August 1996
Am 26. August 1996 kommt es zu einem Familiendrama, als der Hausmeister, der mit seiner Familie auf dem sonst verlassenen Gelände wohnt, damit droht, seine Familie umzubringen und sein Haus anzuzünden. 40 Polizeibeamte und ein Sondereinsatzkommando überwältigen den Mann. Die Familie bleibt unverletzt (vgl. Details und Zeitungsartikel).

Mai 1997
Die Cornelius-Helferich-Stiftung gibt zum 1. Mai das Grundstück an die Magdeburger Firma PT Projekt-Team Verwaltungs GmbH im Tausch gegen ein Hotel in Magdeburg ab. Da eine erneute Nutzung als Sanatorium wie auch eine anderweitige Nutzung des Geländes zu diesem Zeitpunkt undenkbar erscheinen, bleibt laut Presse bei diesem Deal der Eindruck eines reinen Abschreibungsgeschäft zurück.

2003
Die Familie des Hausverwalters verlässt das Pförtnerhaus. Mit dem Auszug erlischt das Wohnrecht auf dem Königsberg. Grundstück und Gebäude sind seitdem unbewacht.

2004
Das "Harzer Panorama" macht auf die unhaltbaren Zustände auf dem Gelände aufmerksam. Unter anderem wird auf den noch nicht entleerten Heizöltank hingewiesen, der seit Jahren vor sich hinrostet. Im Zuge der Berichterstattung stellt sich heraus, dass das Unternehmen "Haus & Grund" als Vermarkter aktiv ist. Wolfgang Behr, Geschäftsführer des Unternehmens Behr & Partner, vermeldet als Grundstücks-Eigentümer erste Visionen von einem Sporthotel oder einer Ferienwohnanlage (Wolfgang Behr war/ist ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter der PT Verwaltungs GmbH).

Januar 2007
Behr & Partner bekräftigen ihr Vorhaben, zeitnah auf dem Gelände Ferienwohnungen errichten zu wollen. Der Wasserturm - möglicherweise auch die Liegehalle - sollen erhalten bleiben. Entsprechende Konzepte wurden ausgearbeitet.

Juni 2009
Foto: Schenk/Goslarsche ZeitungIn der Nacht vom 24. auf den 25. Juni brennt das Haupthaus samt seiner Nebengebäude! Der Feuerwehr, mit 165 Mann vor Ort, bleibt nichts übrig, als das baufällige Ensemble kontrolliert niederbrennen zu lassen und am darauffolgendem Tag einzureißen ( > Einsatzbericht der Feuerwehr Goslar). Von dem einst prächtigen Gebäude bleibt nur das Kellergeschoss samt Küche unter einem Schuttberg übrig. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft geht von Brandstiftung aus, kann die Täter trotz DNA-Analysen aber nicht ausfindig machen. Die Ermittlungen werden Ende August eingestellt.

September 2009
Der Eigntümer kündigt einen neuen Vorstoß zur Realisierung einer Ferienwohnanlage an. 32 Millionen, gefördert durch das Land Niedersachsen, sollen auf dem Königsberg investiert werden.

Dezember 2009
Die touristischen Nachnutzungspläne des Eigentümers bekommen einen kräftigen Dämpfer, als die Harzwasserwerke das Tourismusprojekt in direkter Nähe zur Grane-Talsperre (Wasserschutzzone II) endgültig ablehnen. Wolfgang Behr hält zu diesem Zeitpunkt jedoch noch am Standort Königsberg fest.

August 2010
Die Chance auf eine Nachnutzung ist vertan: laut regionaler Presse möchte der Eigentümer für seine Ferienwohnanlage auf den Kuttenbacher Teich in Hahnenklee ausweichen.

Oktober 2010
Das Gelände wird fortan von Rettungshundestaffeln, THW und Feuerwehren als Trümmer-Übungsgelände genutzt.

Dezember 2012
Der Investor Behr & Partner gibt die Besitzrechte an dem Gelände ab. Neuer Eigentümer ist damit das Land Niedersachsen, der Stadt Goslar obliegt die Sicherungspflicht.

April 2015
Foto: Epping/Goslarsche Zeitung Mitglieder des Rettungshundevereins entdecken am 7. April Rauchschwaden und alarmieren gegen 8.20 Uhr die Feuerwehr. Die Balkenkonstruktion sowie der Dachstuhl eines der noch vorhandenen Gebäude hatten Feuer gefangen. Die Feuerwehr bricht aufgrund der Einsturzgefahr die Löscharbeiten nach zwei Stunden ab, das Gebäude wird abgesperrt. Da dass Gelände nicht mehr mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden ist, lässt sich ein technischer Defekt als Brandursache ausschließen. ( > Artikel der Goslarschen Zeitung vom 7. April)

März 2017
Wieder ein Feuer, wenn auch ein nur kein kleines: innerhalb eines Gebäudes brennen am 24. März zwei Strohballen, welche von der Feuerwehr Goslar gelöscht werden. Auf das Haus selbst hatte der Brand noch nicht übergegriffen.

 

Lücken in den Daten?

Diese Übersicht basiert auf Informationen aus alten Zeitungsartikeln und erhebt keinen Anspruch auf Korrektheit. Außerdem gibt es sicherlich zahlreiche Ereignisse, die mangels Quelle nicht berücksichtigt worden sind. Ich bin daher für jede Korrektur und Ergänzung dankbar - Hinweise bitte einfach per E-Mail an mich.

 

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